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Aus Schwäche wird Stärke

In der Bibel stecken viele Trotzdem-Geschichten

Von Andrea Seeger

Eine Mutter lässt nicht locker. Sie drängt Jesus dazu, ihre kranke Tochter zu heilen, ob sich das nun schickt oder nicht. Eine Witwe, die beharrlich immer wieder den weit über ihr stehenden Richter auffordert, ihr Recht zu schaffen. Hiob, der einen Schicksalsschlag nach dem anderen zu verkraften hat und dennoch nicht ablässt vom Glauben an Gott. Was lernen wir daraus?

Die Bibel ist voller Trotzdem-Beispiele, die Mut machen. Eines der bekannteren dürfte Hiob sein mit seinem Schicksal. Zunächst läuft alles gut für ihn. Zur Familie des frommen und gottesfürchtigen Mannes gehören sieben Söhne und drei Töchter. Er ist „reicher als alle, die im Osten wohnten“. Was heißt das genau? 7000 Schafe, 3000 Kamele, 1000 Rinder und 500 Eselinnen gehören ihm, jede Menge Personal wuselt um ihn herum.

Dann eines Tages die Wende. Vier Boten überbringen ihm schreckliche Nachrichten: Alle seine Kinder sterben, sein Eigentum wird gestohlen, alle Tiere sind weg. Sein Leben ändert sich von jetzt auf gleich, aus Segen wird Fluch. Und wie reagiert Hiob? Er steht auf, schert sich den Kopf und zerreißt sein Gewand, im alten Israel ein Zeichen tiefer Trauer. Statt Gott zu verfluchen, bleibt er fromm wie eh und je. „Ich bin nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren. Der HERR hat’s gegeben, der HERR hat’s genommen; der Name des Herrn sei gelobt!“ (Hiob 1,219). Hiobs Reaktion ist ein großes Trotzdem.

Hiob hadert vehement mit Gott

Woher nimmt er die Kraft? Wie hält er das aus? Seine Freunde stehen ihm bei, trauern mit ihm. Nach sieben Tagen schweigender Anteilnahme löchern sie ihn mit Fragen – warum, wieso, weshalb ist das alles geschehen. Sie alle wissen nicht, dass Gott sich auf Satans Geheiß hin überreden ließ, Hiobs Frömmigkeit durch Leiden auf die Probe zu stellen. Aber der fromme Mann ist zutiefst überzeugt, dass er sich nichts hat zuschulden kommen lassen. Die Geschichte endet wie im Märchen. Hiob bekommt noch einmal sieben Söhne und drei Töchter. Die Zahl der Schafe, Kamele, Rinder und Eselinnen verdoppelt sich. Er lebt danach noch 140 Jahre, stirbt alt und lebenssatt. Dazwischen hadert Hiob vehement mit Gott. Er steht in der Bibel dafür, dass ein Mensch nicht alles Leid klaglos hinnehmen muss, dass auch Hadern ein Festhalten an Gott ist.

Oder die Geschichte von der Frau und ihrer kranken Tochter (Matthäus 15,21-28). Jesus hatte sich mit seinen Jüngern zurückgezogen, in die Gegend von Tyrus und Sidon, in heidnisches Umland. Hier wohnten die nichtjüdischen Bewohner Palästinas – damals hießen sie Kanaanäer. Eine einheimische Frau, eine Kanaanäerin, nähert sich der jüdischen Männergruppe. „Ach, Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Meine Tochter wird von einem bösen Geist übel geplagt“, sagt sie zu Jesus.

Der aber antwortet nicht, kein einziges Wort. Warum auch soll er mit einer Ausländerin sprechen? Juden ist es nicht gestattet, sich mit Ausländern gemein zu machen. Außerdem ist es unschicklich, mit fremden Frauen zu sprechen. Noch größer der Affront, wenn eine Frau den Mann anspricht. Sie tut es trotzdem!

Das ist eine verbale Ohrfeige

Seine Jünger, sonst eher ein Abschirmdienst für Jesus, fordern ihn auf, tätig zu werden. Die Frau schreit, sie ist auffällig. Ihr Verhalten ist den Jüngern wohl unangenehm. Schließlich spricht Jesus doch. „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.“ Das ist eine verbale Ohrfeige. Nur um Juden kümmert er sich, nicht um die Frau aus diesem fremden Land. Punkt. Doch die Kanaanäerin lässt sich nicht abwimmeln. Für ihre kranke Tochter tut sie alles. Sie wirft sich ihm zu Füßen in den Staub: „Herr, hilf mir!“

„Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde“, antwortet ihr Jesus. Das klingt herabsetzend und beleidigend und ist wohl auch so gemeint. Denn die Stellung der Hunde im damaligen Israel lässt sich mit der unserer Vierbeiner heute nicht vergleichen. Aber die Frau ist nicht beleidigt, so herabgesetzt zu werden. Jedenfalls zeigt sie es nicht. Sie gibt nicht auf, zeigt eine bewundernswerte Trotzdem-Haltung: „Ja, Herr; aber doch essen die Hunde von den Brotsamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen.“

Und siehe da: Sie setzt sich schließlich durch. Jesus lässt sich darauf ein, ihrer Tochter zu helfen. „Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst!“ Und ihre Tochter wird gesund.

Eine Trotzdem-Haltung beweist auch die Witwe, die einen Richter immer wieder bittet, ihr zu ihrem Recht zu verhelfen (Lukas 18,1-8). Die Lage von Witwen zur damaligen Zeit war schlecht. Sie gerieten in der patriarchalen Gesellschaft schnell in Not. Sie waren schutzlos, konnten nicht erben; sie mussten in der Familie des Mannes wieder heiraten, um den Besitz ihres verstorbenen Mannes zu erhalten und selbst versorgt zu sein. Sie waren nur eingeschränkt rechtsfähig und wurden so oft zu Bittstellerinnen in fast aussichtsloser Lage.

Sie macht ihm Mühe, ist ihm lästig. Sie lässt einfach nicht locker.

Der Richter, hierarchisch weit über der Frau stehend, „fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen“. So ist er in der Bibel charakterisiert. Ganz bestimmt hatte er keine Angst vor einer armen Witwe. Aber sie nervt ihn. Immer wieder kommt sie zu ihm und fordert ihn auf: „Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher!“ Sie macht ihm Mühe, ist ihm lästig. Sie lässt einfach nicht locker. Schließlich gibt der Richter nach – und verschafft ihr Recht. Jesus zieht aus dieser Geschichte einen Vergleich: Wenn schon dieser ungerechte Richter sich bewegen lässt, um wie viel mehr hört Gott, wenn Menschen ihn brauchen.

Drei Beispiele aus der Bibel. Hiob, der nicht ablässt vom Glauben an Gott, trotz aller Schicksalsschläge. Die Mutter, die nicht lockerlässt, bei Jesus vorstellig zu werden, damit er ihre kranke Tochter heilt. Die Witwe, die immer und immer wieder den Richter auffordert, ihr zum Recht zu verhelfen.

Die Welt damals wie heute ist ungerecht. Vielen erscheinen die Bedingungen sehr ungleich verteilt. Menschen müssen leiden, weil sie weiblich sind, weil sie zufällig in einer Region der Welt zu Hause sind, in der Diktatoren das Sagen haben, in der klimatische Bedingungen herrschen, die lebensfeindlich sind, in der Armut und Gewalt das Leben beherrschen. Menschen zerstören die Lebensgrundlagen, weil die Gier über den Verstand siegt.

Warum lässt Gott das Leid in der Welt zu? Warum trifft die einen ohne Schuld schweres Leid, während andere verschont bleiben? Das lässt sich nicht beantworten. Aber diese biblischen Geschichten tragen die Erfahrung in sich: Aus Schwäche kann Stärke werden. Jemand, der ganz tief unten ist, kann sich auch wieder sehr weit nach oben hangeln. Wenn jemand dranbleibt an einer Sache ­- und erscheint sie noch so aussichtslos - kann er oder sie erfolgreich sein. Und nicht zuletzt: Gott ist da – trotz allem.

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