„Wir werden weiter kämpfen“
Wenn junge Menschen trotzen, können sie Veränderungen bewirken
Klimakrise, queere Identitäten oder der Verkauf von kirchlichen Räumen für Jugendliche: Beim Erreichen von eigenen Zielen müssen junge Menschen auch Rückschläge verkraften. Der Trotz hilft ihnen dabei, nicht einzuknicken.
Von Detlef Schneider
Vermehrte Dürren, steigende Temperaturen, Überschwemmungen: Schon jetzt macht sich der Klimawandel auch in Europa bemerkbar. Viele Jugendliche sind deswegen in Sachen Klimaschutz engagiert. Eine von ihnen ist Jini Schmidt. Gemeinsam mit einer kleinen Gruppe der Dekanatsjugend im Dekanat Westerwald nimmt sie regelmäßig an Demonstrationen der Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“ teil. „Meine Motivation ist es, den Erwachsenen zu zeigen, wie wichtig Klimaschutz ist und dass wir nicht mehr warten können, sondern jetzt handeln müssen“, sagt die 18-Jährige.
Mitunter sei auch Wut ein Auslöser für ihr Engagement. „Wenn ich mir die heißen Sommer und die Ernteausfälle der Bauern ansehe, zeigt mir das, dass ich auf jeden Fall etwas ändern möchte“, erläutert sie.
Hin zu mehr Klimaschutz ist es noch ein weiter Weg, und um „Fridays for Future“ ist es zuletzt etwas ruhiger geworden. Als sie vor zwei Jahren angefangen habe, seien rund 200 bis 300 Teilnehmende zu den Demonstrationen gekommen, sagt Jini, aktuell seien es etwa 50 bis 100 Personen. Deswegen aufzuhören, sei für sie aber keine Option. „Ich mache trotzdem weiter, denn das Thema ist richtig wichtig, und irgendwer muss ja laut sein.“
Trotz ist eine gute Emotion und eine faszinierende Ressource
Der Trotz, meint sie, helfe bei ihrem Anliegen. „Selbst wenn unsere Demonstrationen den Leuten auf die Nerven gehen, es bleibt ihnen wenigstens im Gedächtnis, dass unsere Zukunft geschützt werden muss.“ Für Jini steht fest: „Wir werden auf jeden Fall weiter kämpfen.“
„Trotz ist eine gute Emotion und eine faszinierende Ressource. Sie hilft dabei, nicht einzuknicken“, sagt der Mainzer Stadtjungendpfarrer Matthias Braun. Mit gesellschaftspolitischen Themen wie dem Kampf gegen den Klimawandel, aber auch in persönlichen Angelegenheiten wie queer-sein bringt Braun den Trotz in Verbindung.
„Auf unserer Dekanatssynode gab es ursprünglich mal kein vegetarisches Essen. Die Jugendlichen haben getrotzt und gesagt: ‚Wir essen hier nichts, solange es nur Fleisch gibt‘, erzählt er. Mit Erfolg: Bei der nächsten Synode wurde Suppe ohne Fleischeinlage serviert. „Gestorben ist daran auch keiner“, sagt Braun.
5 Tipps zur Motivation für sich und andere
Aber was tun, wenn Dinge nicht auf Anhieb funktionieren und man sich oder andere motivieren möchte? Matthias Braun hat Tipps, wie man weiter am Ball bleiben kann.
- Situation klar benennen und skandalisieren: Für Matthias Braun ist das ein erster Schritt, etwa, wenn es um das Thema queer-Sein geht. „Oft gelingt das Outing als queere Person ganz gut. Und dennoch kann es sein, dass Familienangehörige wie Eltern oder Großeltern mit der Situation überfordert sind“, hat er erlebt. Dies auch zu benennen sei Voraussetzung dafür, um gemeinsam zu schauen, wie es weitergehen kann.
- Wut zulassen: „Die Wut rauszulassen, ist wie einen Stöpsel zu ziehen, so dass die heiße Luft entweichen kann“, sagt Braun. Dies könne helfen, wieder zu sich zu kommen und einen klaren Kopf zu wahren. „Die Wut ist etwas Reinigendes. Wenn man sie rauslässt, fühlt man sich hinterher besser.“
- Sich darüber klar werden, dass andere die gleichen Erfahrungen machen: Das Wissen darum, mit einem Anliegen nicht allein zu sein, betrachtet Braun als einen wichtigen Faktor. Für queere Menschen etwa seien der Austausch und die Vernetzung mit der queeren Community eine große Hilfe.
- Das Wissen darum, dass es weitergehen wird: Hier bezieht Braun sich zum Beispiel auf die Kirche. Queere Identitäten anzuerkennen, sei im kirchlichen Kontext noch immer nicht selbstverständlich. Braun betont jedoch: „Es hat auch sehr lange gedauert, bis eine Segnung für gleichgeschlechtliche Paare möglich war.“ Trotzdem sei sie heute möglich – nach langem Ringen.
- Auswege und Lösungen suchen: Vegetarisches Essen einzufordern, wie auf der Synode geschehen, sei hierfür ein gutes Beispiel. Grundsätzlich, sagt Braun, käme es auf die jeweilige Situation an, wie eine Lösung konkret aussehen könne.
Den Jugendlichen fehlen wichtige Räume
Auf der Suche nach Lösungen ist aktuell auch die Evangelische Jugend in Hessen und Nassau (EJHN). Nach dem Verkauf der Jugendburg Hohensolms soll nach der Entscheidung der Synode nun auch der Tagungsbetrieb im Kloster Höchst eingestellt werden. Damit fehlen den Jugendlichen wichtige Räume. „Zuerst war ich wütend und extrem traurig. Zeitweise stand für mich sogar die Frage im Raum, ob ich mein ehrenamtliches Engagement in der Kirche aufgebe“, erzählt Maren Krauß, Vorsitzende der EJHN. Ungefähr ein bis zwei Wochen habe es gedauert, bis sich die Wut in Trotz verwandelte.
„Aktuell laufen einige Prozesse, und wir sind in vielen Gesprächen drin“, sagt Krauß. Dazu gehöre die Suche nach möglichen Kooperationspartnern, um den Tagungsbetrieb im Kloster Höchst weiter aufrecht zu erhalten. Auch die Suche nach einem anderen Gästehaus, das für die Jugend für Freizeiten und Tagungen in Frage kommt, laufe aktuell.
„Man sieht gerade gut, wie wichtig Trotz ist. Nach der Entscheidung der Synode hat er uns dabei geholfen, nicht aufzugeben“, meint Krauß. Wichtig sei nur, dass der Trotz nicht Überhand nehme. Für sie bedeute er Motivation, um Negatives zum Positiven zu verändern.
Den Trotz, sagt Krauß, müsse man Jugendlichen zugestehen. „Wenn wir nicht trotzen, dann werden wir auch nichts verändern können.“
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