Trotzdem-Geschichten aus Hessen und Nassau
Wie aus einer aussichtslosen Situation Kraft und Hoffnung schöpfen? Wie Wiederständen begegnen? Wie das Trotzdem in einem selbst wecken? Fünf Menschen erzählen von Lebenssituationen, in denen sie Halt und Trotz verspürt haben.
Annika, 14 J., Hockeyspielerin
Für Annika ist Aufgeben keine Option
„Man ist wie in einem Tunnel und will sich nur noch durch die ganzen Chemos, Bestrahlungen und Operationen durcharbeiten, um zum Licht zu kommen. Am Ende ist noch kein Licht, aber ich habe einen Seitenausgang gefunden. Der Krebs ist nicht weg, aber dennoch geht es mir gut. Ich lebe und ich habe Spaß. Aufgeben geht nicht. Ich will auch nicht herumliegen und mich verwöhnen lassen. Das ist voll langweilig, ich will mich bewegen. Ich möchte den Krebs überwinden oder ihn wenigstens nicht mehr spüren.“
Anna-Nicole, 27 J., Präses der Evangelischen Kirche Deutschland
Engagement trotz allem Widerstand macht Anna-Nicole hoffnungsvoll
„Wir haben einen Gott, der unsere Welt nicht statisch geschaffen hat, der selbst dynamisch ist, der uns trotz allem „Mut zur Veränderung“ macht, der uns begleitet und Hoffnung schenkt. Und wir sind umgeben von so vielen Menschen, die sich engagieren, die sich trotz allem für wichtige Themen einsetzen, das macht Hoffnung. Immer wieder darüber ins Gespräch zu kommen, multipliziert die Hoffnung.“
Roman H., 24, Geschichtsstudent
Roman studiert entgegen aller Erwartungen das, was ihm Spaß macht
„Bis ich 18 Jahre alt war konnte ich mir nichts Anderes vorstellen, als Medizin zu studieren. Ich habe dann einen Test für medizinische Studiengänge abgelegt und mein FSJ im Rettungsdienst absolviert. Aber dann habe ich gemerkt, dass mir eigentlich das Fach Geschichte schon immer viel Spaß gemacht hat und die Medizin nur durch die therapeutischen Berufe in meiner Familie als Idee aufkam. Seitdem ich mich für meine eigene Leidenschaft entschieden habe, muss ich mich im außerfamiliären Rahmen häufig für die ‚brotlose Kunst‘, die ich studiere, rechtfertigen. Trotzdem macht mir das Studium Spaß und das Urteil ist nicht entscheidend für mich.“
Petra, 57 J., Verwaltungsangestellte
Chor, Verein, Jugendfreizeiten: Es sind die Menschen, um sie herum
„Halt im Leben geben mir die Menschen um mich herum. Nach meiner Konfirmation war ich als Jugendbetreuerin in unserer Kirchengemeinde aktiv. Seit ich mich erinnern kann, war ich immer in irgendwelchen Vereinen und Gruppen unterwegs. Heute singe ich in einem gemischten Rock- und Pop-Chor. Das Singen hat mir auch über eine Lebenskrise hinweggeholfen. Wenn ich zurückblicke, bin ich sehr vielen Menschen begegnet die mir auf irgendeine Weise in unterschiedlichen Lebensphasen Halt gegeben haben und denen ich hoffentlich etwas zurückgeben konnte. Die Gemeinschaft und das Miteinander sind für mich wichtig. Heute erkenne ich: Ich habe das große Glück, für mich selbst zu sorgen, das gibt mir ein Stück Sicherheit. Ich genieße jeden Tag, auch wenn es den Anschein hat, kein Tag zu sein, an dem alles gut läuft und dennoch versuche positiv mit mir und meinem Gegenüber zu sein. Psalm 119, Vers 105 ist mein Konfirmationsspruch: Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege. Ich mag ihn. Er erinnert mich daran, dass ich meinen Weg nicht alleine gehen muss.“
Stephan, 65 J., Pfarrer und Journalist
Stephans Motto: Hoffnung gegen den Augenschein
„Im Alltag finde ich Halt im Rhythmus von Schlafen und Wachen, der drei Mahlzeiten, die den Tag einteilen. Sozialen Halt geben mir Familie und Freundeskreis. Zum Halt meiner Identität gehört, dass ich evangelisch bin, Mitglied der evangelischen Kirche, der großen Suchbewegung nach Sinn mit Gott.
Halt in meiner großen Sorge um die Welt gibt mir der Glaube, dass Gott mit seiner Schöpfung etwas vorhat. Das bringt mich immer wieder zu dieser Hoffnung zurück: Das letzte Worte werden nicht die haben, die mit Ignoranz, Dummheit und Lieblosigkeit diese Welt und das Leben in ihr massiv gefährden, sondern der liebende Gott. Es ist eine verzweifelte Hoffnung – eine Trotzdem-Hoffnung, die sich gegen viele Indizien stemmt. Aber ich kann nicht anders als darauf hoffen – und darin Halt finden.“
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